Was ist Genome Editing?
Emmanuelle Charpentier und ihr Team erforschten zwischen 2011 und 2012 an der Universität Umeå in Schweden das Immunsystem von Bakterien. Sie fanden heraus, dass auch Bakterien krank werden können. Es gibt Viren, die Bakteriophage genannt werden, die Bakterienzellen infizieren und ihr eigenes Erbgut in das Genom der Mikroben übertragen können. Was ist ein Genom? In einem Genom befindet sich das gesamte Erbgut eines Lebewesens oder eines Virus. Um sich zu schützen, haben die Bakterien eine molekulare Schere entwickelt, die das fremde Erbgut wieder herausschneiden kann, Genome Editing genannt. Das bedeutet in der Praxis, dass man bestimmte Teile des Genoms punktgenau herausschneiden und das Genom auf jede erdenkliche Art verändern kann.
Emmanuelle Charpentier untersuchte vor allem, wie bakterielle Pathogene (Erreger, die Krankheiten verursachen) mit ihrer Umwelt, einschließlich ihres menschlichen Wirts, interagieren. Im Rahmen dieser Studien entdeckte sie, dass sich das CRISPR-Cas9-System von Bakterien als ein sehr präzises Werkzeug einsetzen lässt, um genetisches Material zu bearbeiten und die Funktion von Genen zu untersuchen. Die neue Gentechnik-Methode kann unter anderem dazu genutzt werden, um neue Behandlungsmöglichkeiten für schwere Krankheiten des Menschen zu entwickeln. Doch wie funktioniert die Methode genau? Bakterien werden von Viren, Bakteriophagen befallen, die ihr Erbgut in die Bakterien eingeben. Die Bakterien haben dafür eine wirksame Gegenstrategie entwickelt.
Es gibt bestimmte Sequenzen in den Bakterien, die bestimmten DNA Sequenzen von Viren entsprechen. Die bakteriellen Enzyme spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie sind komplexe Moleküle, die als Katalysatoren wirken. Wie eine Schere schneiden sie Virenerbgut heraus. Das herausgeschnittene Stück Viren DNA wird in eine Stelle der Bakterien DNA eingesetzt, CRISPR-Abschnitt genannt. Dies ist die Bezeichnung der Genetiker für Abschnitte sich wiederholender DNA, in denen wie im Bakterium das Virenerbmaterial zu finden ist. Die Zelle übersetzt den eingefügten Abschnitt durch Auslesen in einen RNA Strang, die CRISPR-RNA. Sie enthält Informationen aus dem Erbgut des Virus und ein Stück der Bakterium DNA. Daran koppelt die Tracer-RNA an.
Diese Tracer RNA kann auch als Hinweis angesehen werden, wo genau das Enzym CAS9 anbinden und den Abschnitt CAS9 heraustrennen kann. Wenn das Bakterium erneut von einem Virus befallen wird, fungiert dieser CRISPR-CAS9 Komplex als eine Art Immunsystem. Die CRISPR RNA kann die passende Stelle an der Viren DNA finden, CAS9 zerschneidet dann den DNA-Strang des Virus und zerstört ihn dadurch. Crisper RNA fungiert wie eine Navigationshilfe die bestimmt, wo die Schere CAS9 schneidet. Gene Editing ist vergleichbar mit der Veränderung eines Textes, siehe auch Kapitel 2 des gerade erschienenen Buches „parcourlet“, der Autorin dieses Textes,
Beim Text Editing hat man zunächst einmal einen Text vor sich. Man ersetzt an bestimmten Stellen Teile des Textes oder beseitigt z.B. einen Druckfehler. Genauso kann man auch im Genom agieren. Forscher können Moleküle problemlos variieren, so dass sie auch bei allen mehrzelligen Organismen funktionieren. Bei Pflanzen, Tieren, Menschen können Gene auf diese Weise in allen Zellen eines Organismus ausgeschaltet oder beliebig ausgetauscht werden. Man kann sich das auch wie ein Skalpell für das Erbgut vorstellen. Doch ganz so problemlos ist es dann doch nicht.
Es gibt sogenannte Off-target Effekte, bei denen die DNA versehentlich an anderen als an den gewünschten Stellen durchgetrennt wird. Auch sollte man nicht vergessen, dass die Teams Charpentier/Doudna und Zhang sich nach wie vor in einem erbitterten Patentstreit befinden. Das Team Charpentier/Doudna veröffentlichte seine Studie zum Genome Editing am 17. August 2012 im Magazin „Science“, in dem wenig später der Bioingenieur Feng Zhang vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) die universelle Einsetzbarkeit der Methode erklärt. Auch rechtlich gibt es noch einiges zu klären. Die Frage, ob Genome Editing als naturidentisches Verfahren angesehen werden kann, wurde bejaht.
Ob Genome Editing in der Pflanzenzüchtung eingesetzt wird, hängt davon ab, ob und ab wann die damit gezüchteten Pflanzen als gentechnisch veränderter Organismus (GVO) angesehen wird. Dazu wird es noch eine abschließende rechtliche Klärung geben. Da die Methode günstiger als andere Gentechniken ist, bietet sie eine Chance für viele kleinere oder neue Unternehmen. Verbesserungen für den Einzelnen kann man sich vorstellen: z.B. könnte ein defektes Gen durch Genome Editing dauerhaft „repariert“ werden. Für ein Individuum würde das bedeuten, dass es auf der Stelle gesund wäre und die vorherige, dauerhafte Therapie z.B. in Form von Stoffwechseltabletten sofort einstellen könnte. Traum oder bald Wirklichkeit? Wie interessant ist Genome Editing für Sie persönlich?