Rot, gelb, grün oder blau? Bleiben Sie einfach wie Sie sind!
Die Rede ist von so genannten Persönlichkeitsmodellen. Ihnen allen gemein ist, dass der Proband mehr oder weniger Fragen zu seinem Verhalten im Internet oder auf einem Fragebogen beantwortet und daraus eine Zuordnung seiner Person zu einer bestimmten Farbe (und damit Personengruppe) erfolgt. So gelten "Grüne" als dem Menschen zugewandte Personen und "Gelbe" als Typen, welche Spaß und Abwechslung für Höchstleistung benötigen. "Rote" wiederum gelten als Direktorentypen, die gerne als Alleinherrscher regieren und die "Blauen" gelten als Experten für Zahlen, Daten und Fakten. Schnell ist man dann mit der daraus resultierenden beruflichen Einordnung dabei: Grüne werden Krankenschwestern bzw. -pfleger, Gelbe finden sich im Verkauf, Rote werden Geschäftsführer und Blaue Finanzbeamte.
Wo liegt der Unterschied zum Horoskop?
Die bekanntesten dieser Persönlichkeitsmodelle fußen auf der Theorie des Schweizer Psychologen C. G. Jung. Wenn dem so ist, dann wird ein solcher Test sicher sehr umfangreich sein - so könnte man zumindest meinen. Das Erstaunen ist groß, wenn sich plötzlich herausstellt: 30 Multiple-Choice-Fragen (im Internet bei einem Anbieter so gar eine einzige Frage) bilden die Grundlage für die Einordnung in eine der Gruppen - ein nicht ungefährliches Phänomen. Denn 30 Fragen lassen sich manipulieren, womit das Ergebnis nicht mehr repräsentativ ist. Die Aussagekraft unterscheidet sich damit nicht mehr wirklich von der eines Horoskops aus einer der bei Friseuren üblicherweise ausliegenden Zeitschriften.
Regelmäßig wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben
Was auch nicht vergessen werden darf: Diese Tests der (meist US-amerikanischen) Anbieter sind eine cash-cow für die sie anbietenden Unternehmen. Denn sie kosten Geld und werden - trotz ihrer Manipulierbarkeit und begrenzen Aussagekraft - in einer Vielzahl von Unternehmen eingesetzt. So bilden sie oft die Basis für eine Personalentscheidung oder -entwicklung. So ist es auch nicht verwunderlich, dass immer mal wieder neue Modelle aus dem Nichts auftauchen. Aktuell en vogue ist die Hirnforschung, die unter verschiedenen Markennamen mit ähnlichen Tests nun z. B. eine Unterteilung in Balance-, Stimulanz- und Dominanzsysteme vornimmt (bezeichnender Weise in den Farben grün, gelb und rot).
Gesunder Menschenverstand versus moderne Farbenlehre
Wer sich in seinem Freundeskreis oder seiner Verwandtschaft umschaut, wird auch ohne Insights, DISG und Co. ähnliche Beobachtungen machen: Da gibt es die Personen, welche immer und für alle ein offenes Ohr haben. Andere wiederum wollen alles ganz genau wissen und regen sich über die stets lustigen und hoch motivierten Bungee-Jumper auf. Und alle schauen ganz gebannt auf den Überflieger, der Karriere macht und scheinbar mühelos seine Konkurrenten aussticht. Und jeder weiß, dass man genau diesen Überfliegen eben nicht mit den Befindlichkeiten des besten Freundes behelligt. Scheinbar fehlt ihm dafür das passende Gen.
Und damit ist bereits klar, wo diese Modelle ihre Stärken ausspielen: Sie helfen uns in entscheidenden Situationen, uns vor Augen zu halten worauf unser Gegenüber voraussichtlich wie reagieren wird. Und es ist auch naheliegend, dass ein nicht zu besonderer Gewissenhaftigkeit neigender Finanzbeamter nicht wirklich glücklich in seinem Beruf sein wird. Gefährlich jedoch sind die in vielen Auswertungsberichten abgegebenen Empfehlungen zur "Optimierung" des eigenen Verhaltens. Es ist zwar schön zu wissen, sie man sich Menschen eines anderen Farbtyps gegenüber sinnvollerweise verhält. Bedenklich ist jedoch, dem Probanden im Report das Gefühl zu vermitteln, zur "falschen" Gruppe zu gehören ("ach, ich würde so gerne gelb sein"). Kein Test dieser Welt verändert den Menschen. Jedoch vermitteln viele das Gefühl, wie weit man doch neben der "Norm" oder dem "Wunschprofil" liegt.
Wer sich jedoch aufgrund seines Testergebnisses vornimmt, zukünftig "roter", somit dynamischer und durchsetzungsstärker zu sein, vergisst eines: Sein offensichtlich eher dem Menschen zugewandtes Verhalten ist nicht zwangsläufig eine Schwäche - auch nicht dann, wenn man sich in einer beruflichen Führungsposition befindet. Auch "Grüne" können führen - und zwar nicht qua "Ansage", sondern empathisch und dem Menschen zugewandt. Anstatt zu versuchen, den "Grünen" lieber "roter" zu machen, sollten individuelle Stärken gestärkt werden. Denn wie sagte Eckart von Hirschhausen so treffend: "Wenn Du ein Pinguin bist, machen auch 12 Jahren Psychotherapie aus Dir keine Giraffe".