Wieviel FDP brauchen wir noch?
1861 wurde in Deutschland als erste Partei die Liberale Deutsche Fortschrittspartei gegründet. Die Partei stellte seinerzeit die größte Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus. Ein Ableger von ihr, die Nationalliberale Partei, war später Hauptstütze von Bismarck. Der ließ sie aber fallen, als sie die Gefolgschaft in der Schutzzollpolitik verweigerte. Fortan ließ Bismarck sich vom Zentrum und den Konservativen stützen. In der Folge spalteten sich die Liberalen in die unterschiedlichsten Gruppierungen. Die Deutsche Volkspartei ( DVP ) und die Deutsche Demokratische Partei ( DDP )erhielten 1919 zusammen noch 23% der Stimmen, 1933 noch 1,9%. Die heutige FDP wurde nach 1945 regional gegründet.
Im Südwesten war sie eher links-orientiert, in Hessen und NRW sammelten sich die Nationalliberalen. Trotz der regionalen Differenzierung wurde die FDP seit 1945 bis 2013 ununterbrochen in den Bundestag gewählt. Geschützt durch die 5%-Klausel blieb die FDP die einzige Partei die den Sprung in den Bundestag schaffte. Andere Parteien scheiterten dagegen an dieser Hürde und verschwanden in der Folge auch von der Bildfläche. Der Bonner Bundestag war lange Zeit ein „Zweieinhalb-Parteiensystem“. Ihre Position als Mehrheitsbeschaffer verlor die FDP spätestens dann, als die Grünen und nach der Grenzöffnung zunächst die PDS und dann die Linke Dauergäste im Parlament wurden. Der Anfang vom Ende der FDP war es als die FDP zur „Ein-Themen-Partei“ mutierte.
Die Partei des Liberalismus reduzierte sich selbst zur Klientelpartei mit einem Thema: Steuersenkungen. Mehr Netto vom Brutto nannte es Guido Westerwelle. 2009 gelang der FDP mit 18% das beste Ergebnis nach 1945. In der Koalition mit der CDU blieb davon allein die reduzierte Hotelsteuer. Ansonsten blieb die FDP blass, auch deshalb, weil die CDU den Juniorpartner bewusst klein hielt. Ein Blick auf die Köpfe der FDP zeigt, welch außergewöhnliche Politiker die FDP in der Vergangenheit hatte. Der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, z.B. oder Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, aber auch Thomas Dehler, Otto Graf Lambsdorff und natürlich auch Hildegard Hamm-Brücher. Und heute: Wolfgang Gerhardt, Guido Westerwelle, Philipp Rösler, Rainer Brüderle, welch Qualitätsverlust.
Mit ein Grund für die derbe Wahlpleite 2013 war auch die Personenkonstellation, die für die FDP in den Wahlkampf gegangen ist. Schlechtes Personal und ein Wahlkampfthema, das der FDP keiner abnahm, da hat nicht einmal die Zweitstimmenkampagne noch geholfen. Wer nicht mit der Zeit geht, bzw. die Zeichen der Zeit nicht erkennt, der geht mit der Zeit. Die FDP hat nicht erkannt, dass ihr das klassische Milieu, der Mittelstand, abhandengekommen ist. Die klassischen Differenzierungsmerkmale Proletariat, Arbeiterklasse, Mittelklasse oder Bourgeoisie existieren in ihren Reinformen nicht mehr. Das Bildungsniveau der Bürgerinnen und Bürger ist deutlich angestiegen und die Zuordnung der alten Klassen zu Vorfeldorganisationen der Parteien ist obsolet. In unserer individualisierten Gesellschaft tendieren die Wählerinnen und Wähler zu den Parteien, die gerade für die persönliche Problemlage die besten Angebote machen.
Wie geht es mit der FDP weiter? Brauchen wir eine FDP? Historisch gesehen hat die FDP durchaus auch Meriten erworben. Die Vertretung der FDP hat 1945 hartnäckig dafür gekämpft, dass die Bundesrepublik eine Marktwirtschaft erhielt. Und auch die Versöhnungspolitik Willy Brandts war nur durch die Mitwirkung der FDP möglich. Und da liegt genau der Ansatzpunkt: Solange die FDP eine Ein-Themen-Partei bleibt, braucht sie kein Mensch. Die FDP muss sich wieder interessant machen. Das gelingt nur, wenn sie sich auf alte Tugenden besinnt. Die heutige FDP muss sich erneuern, indem sie sich an das Früher orientiert. Die Idee des Liberalismus ist ja richtig: Schutz der Freiheit jedes einzelnen. Freiheit des Denkens, Redefreiheit und Lebensführung ohne Vorschriften eines Staates.
Aber ohne Regeln, die durch den Staat festgelegt werden und ohne Kontrolle auf Einhaltung geht das nicht. Und ganz besonders nicht, wenn die das Profitstreben andere quält und erniedrigt. Die Liberalen müssen sich auf das besinnen, was sie einmal waren: die Partei der Marktwirtschaft, des Rechtsstaats und ein Befürworter Europas. Das entscheidende Problem für eine Wiedererstarkung sind dabei die anderen Parteien. Liberales Gedankengut hat sich längst in den Köpfen und Programmen der anderen Parteien etabliert. Das Ergebnis könnte deshalb lauten, dass wir kein liberales Korrektiv in dem sich liberale, freiheitliche Ideen konzentrieren brauchen. Zudem hat die FDP derzeit noch ein gravierendes anderes Problem. 3 Millionen Euro fehlen in der Kasse.