Brauchen wir in Deutschland eine neue Politikkultur?
Wer den Initiatoren - und auch einigen Demonstranten - zuhört, wird feststellen: Letztendlich geht es um eine grundsätzliche Unzufriedenheit der Mit-Marschierenden mit so empfundenen Missständen ganz individueller Art. Und auch Frau Oertel machte in besagter Sendung keinen Hehl daraus. Diesen Eindruck bestätigt auch ein Blick in die Posts der sozialen Netzwerke: Von "Islamisierung" ist hier nur am Rande die Rede. Viele Bürger - auch außerhalb von PEGIDA - sind politik- oder auch politikerverdrossen. Dies äußert sich auch in sinkenden Wahlbeteiligungen sowohl auf kommunaler-, Landes- oder Bundesebene und sogar zu Europawahlen. Mittlerweile stellen die Nichtwähler in vielen Bereichen die größte Fraktion.
Ist die Bevölkerung nur Stimmvieh?
Eine immer wieder gehörte Behauptung ist, dass der Wähler nur "Stimmvieh" sei und eine Beteiligungen an Wahlen rein gar nichts ändere. Und zugegeben: Bei über 61,8 Mio Wahlberechtigten zählte die Stimme des Einzelnen auf den ersten Blick nicht wirklich viel. Doch kann dies als Rechtfertigung dafür dienen, in einem der freiesten und wohlhabendsten Länder der Welt nicht zur Wahl zur gehen - gleichzeitig jedoch massive Kritik an den Politikern zu üben? Um es ganz deutlich zu sagen: Nein, das kann nicht sein. Und dafür gibt es gleich mehrere Gründe!
Zum einen wählen die genannten 61,8 Millionen Wahlberechtigte nicht nur einen einzigen Abgeordneten! Seit der letzten Bundestagswahl sitzen im Deutschen Parlament 631 Abgeordnete. Rechnerisch entfällt somit auf ca. 98.000 Wähler ein Repräsentant. Fällt die Wahlbeteiligung wie im Jahr 2013 auf 71,5 % entfallen auf einen Sitz nur rund 70.026 Wähler. Die Wahlkreise in Deutschland sind also übersichtlich. Jeder Bürger erhält die Möglichkeit, sich über das Wirken seiner Volksvertreter zu informieren zu entscheiden, ob sie in seinem Sinne wirken. Alle 4 Jahre können dann Konsequenzen gezogen und ein anderer Bewerber gewählt werden. Und weil dies bekannt ist, haben die Volksvertreter ein vitales Interesse daran, Politik im Sinne der Bürger zu machen.
2013 am Start: 34 Parteien
34 Parteien sind im Jahr 2013 zur Bundestagswahl angetreten. Neben den großen - nun auch im Bundestag vertretenen - waren dies auch Exoten wie z. B. eine Partei für spirituelle Politik oder auch eine Partei der Nichtwähler. Es sollte somit klar sein, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Und die Parteienlandschaft wird immer vielfältiger. Jahrzehntelang war der Bundestag ein 3-Parteien-Parlament. Heute sind es bereits 4 - und zwei Bewerber sind knapp an der 5%-Hürde gescheitert. Wenn also Unzufriedenheit mit den im Bundestag vertretenen Parteien herrscht, so bleibt es jedem Wähler unbenommen, seine Stimme einem anderen Bewerber zu geben.
Last but not least: Veränderung durch aktive Teilhabe
Schließlich und endlich hat jeder Bürger nicht nur ein aktives, sondern auch passives Wahlrecht. Wer unzufrieden mit den politischen Umständen ist, hat die Möglichkeit selbst aktiv zu werden. Diese aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist auf vielerlei Art und Weise möglich: Beginnend mit einem Engagement in der Schule (z. B. als Elternvertreter) über eine Bewerbung zur Kommunalwahl bis hin zur Gründung einer Bürgerinitiative sind den Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Wir alle haben also die Möglichkeit aktiv im Sinne einer besseren Gesellschaft zu werden. Niemand hindert uns daran. Und damit erreicht man deutlich mehr, denn als Mitläufer auf einer Montagsdemo in Dresden.