Wer hat Angst vor Literatur?
Bereits im Vorfeld war diese Wahl vielen Meinungsmachern als Fehlentscheidung erkennbar gewesen. Die Gremien, ganz klar, hatten geirrt, waren gar gestrauchelt. Nun galt es die Gründe für diese Erkenntnis zu finden. Zu einfach wäre die Suche im Naheliegenden; der Einfachheit halber zieht man anderes zur Begründung heran. Jetzt gelangt der Schöpfer in den Fokus, die Schöpfung selbst, man stellt sie an den Rand. Gebt dem Werk, was des Werkes, gebt dem Schreibenden was des Schreibers. Zugegeben, das hat schon in anderen Tempeln nicht funktioniert. Die Leugnung der Gegensätzlichkeit kann damit auf einigermaßen fruchtbaren Boden fallen. Peter Handke wird daher von manch einigen mit, vielleicht, Fug und Recht seinem Werk gleichgestellt.
Mit vielleicht Recht begreifen manch einige Produkt und Produzent als Einheit. Nur mit der sich selbst zugestandenen Fug manch einiger aber, darf sich diese Einheit dann allein aus der Person des Produzenten heraus bewerten lassen. Nicht mit Recht kann Einheit solcherart einseitig von den manch einigen zusammengesetzt werden. Nicht mit Recht können dann ausschließlich politische Äußerungen, persönlich gezeigte Handlungen und die selbst zu Wort gebrachten Verfehlungen des Schreibenden, diese Einheit verkörpern. Nein, selbst dann nicht, wenn Tun wie Denken der Schreibenden den moralischen Maßstäben der manch einigen Meinungsmachenden völlig zuwiderlaufen.
Zweifellos soll der heiße Preis allein das Geleistete auszeichnen. Die Geisteshaltungen und Anschauungen der Leistenden dürfen in diesen Gremien demzufolge nicht bewertet werden. Das Werk, daran lässt der Stifter keinen Zweifel, ist zu beurteilen. Wie denn sonst hätten so manche den Friedensnobelpreis erhalten können? Wie sonst denn, hätte ein solcher Friedenspreis auch an solche vergeben werden können, die zuvor Gewalt und Eskalation provoziert hatten? Wie sonst, wenn nicht allein das Werk einer Friedenstiftung beurteilt worden wäre, wie sonst hätten so manche einen Friedensnobelpreis erhalten können?
Es ist das Werk, das zu beurteilen ist. Das Werk allein, ist zu bewerten. So weit so klar. So weit weg von Peter Handkes Literatur. Wer wollte sich tatsächlich einlassen auf diese Wortwerke? Wer wollte tatsächlich eintauchen in diese aus Worten geformte, jedenfalls mehr als 70, Welten? Wer wollte sich bei diesem Lesen tatsächlich selbst zurücknehmen, um das Geleistete, vielleicht, erfassen zu können? Wohl kaum einer der manch einigen, denen sich die Fehlentscheidung offenbart hat. Denn Handkes Literatur erscheint ihnen als nicht zum Lesen da. Ist ihnen Literatur überhaupt zum Lesen da? Wozu überhaupt, ist Literatur da?