Spaziergang über die Pfaueninsel - Romantische Gedankensplitter
Der Bevölkerung war per königlichem Dekret verboten, die Pfauen-Insel, die zudem durch einen breiten Schilfgürtel geschützt war, zu betreten. Es verbreiteten sich Gerüchte über Alchemie: die Herstellung von Gold und Zauberei. Kunkel erforschte die Herstellung des „Goldrubinglases“, eines Kristallgases mit besonderer Leuchtkraft, was große Exporterlöse einspielte. Als im Jahre 1689 – es war das Jahr nach dem Tode des Kurfürsten - sein Laboratorium niederbrannte, war Kunkel wirtschaftlich ruiniert. Von dem neuen König Friedrich I. wurde er der Hexerei bezichtigt und zur Rückzahlung von etlichen Talern verurteilt. Er folgte einer Einladung König Carls XI. von Schweden, der ihn als königlichen Bergrat beschäftigte und als Johannes Kunkel „von Löwenstern“ in den Adelsstand.
Die Pfaueninsel verfiel danach über 100 Jahre lang in einen Dornröschenschlaf. Die Natur war sich selbst überlassen, bis Friedrich Wilhelm II., der Thronerbe „Friedrichs des Großen“ die kleine verwilderte Insel für sich eroberte. Schon als Kronprinz hatte er sich dort mit Wilhelmine Enke zu romantisch-amourösen Abenteuern getroffen.Von seiner Sommerresidenz, dem Marmorpalais am Heiligen See in Potsdam, sichtbar, ließ er ein weißes Schloss errichten, ein Küchenhaus in Form einer kleinen Pyramide und eine Meierei, getarnt als Ruine eines gotischen Klosters. „In den Ruinen geht es um Vernunft, Aufklärung des Menschen, die Selbstverantwortung seines Schicksals.“ (Johannes Odenthal: Imaginäre Architektur) Die Innendekoration überließ er wie auch im Marmorpalais Wilhelmine. Sie verwob antike, italienische und exotische Akzente und gestaltete das Turmzimmer als Bambushütte im Südseestil. Es waren funktionstüchtige Gebäude, die „maskiert als Darsteller in einer Inszenierung mitwirkten.“ (Wikipedia)
Pfauen, um die sich in den verschiedensten Epochen Legenden um Liebe, Schönheit und Unsterblichkeit rankten,wurden angekauft und in einer als Heuschober verkleideten Unterkunft untergebracht. Schon die Römer schmückten ihre Gärten gerne mit Pfauen, die ihren Balztanz mit ausgebreiteter Federkrone aufführen. In dem Werk des Dichters Saadi „Rosengarten“ aus dem 13. Jahrhundert war es nach paradiesischen Vorbild einzig der Pfauenfeder würdig, als Lesezeichen im Koran zu liegen. Nach dem Tode König Friedrich Wilhelms II. (1797) - ein Jahr zuvor hatte er seine Gefährtin zur Gräfin von Lichtenau erhoben - wurde gegen Wilhelmine wegen Hochverrat ermittelt. Unschuldig in Festungshaft genommen wurde ihr Vermögen konfisziert und sie selbst für einige Zeit aus Berlin verbannt. Verbunden mit führenden Gelehrten und Künstlern war sie eine einflussreiche Mäzenin des preußischen Frühklassizismus. Ihr Berliner Haus gehörte zu den führenden Salons der Stadt.
Die märchenhafte Pfaueninsel mit jahrhundertealten Eichen erfuhr 1828 eine Wandlung. Peter Joseph Lennè, Generaldirektor der königlich-preußischen Gärten und häufiger Teegast bei König Friedrich Wilhelm III., bekam den Auftrag, dort für die exotische Tiersammlung des Königs eine Menagerie zu errichten. Der „Park-Poet“ Lennè gestaltete nach einer Dienstreise durch englische Gärten zukunftsweisend für die Stadt- und Regionalplanung einen Volkspark. Eine südländische Tierwelt, tropische Gewächse, ein Palmenhaus, ein labyrinthischer Rosengarten wurden gestaltet. Die Liebe zum Detail macht diesen Landschaftsgarten zu einem Gesamtkunstwerk. An der Rosenlaube wurden Kübel mit Orangen- und Lorbeerbüschen - umspannt von Rankengewächsen - versenkt. Rhabarber und Georginen wurden kultiviert; Hortensien mit Schilferde blau gefärbt.Die kleine nordische Insel mit ihrem mediterranen Flair, seltenen Pflanzen und schützenswerten Vogelbrutstätten wurde schließlich unter Naturschutz gestellt. Die historischen Gebäude, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, werden als Winterquartier gerne von Fledermäusen genutzt.
Die Pfaueninsel ist noch immer umwoben von einem eigentümlichen Zauber, auch wenn das ursprüngliche Ansinnen, einen Ort der Abgeschiedenheit in einem privaten Forschungs- oder Liebesheiligtum zu schaffen, längst der Vergangenheit angehört. Einzig der blaue Pfau, der auf dieser Insel heimisch ist, stolziert zeitlos in seinem bei Lichteinfall grün-goldenem Prachtgefieder über diese „Perle im Berliner Havelmeer“, manchmal auch im Verborgenen, da Pfauen ihren Bewegungsradius schnell vergrößern. Die Autorin Isabel Bogdan hat einen feinsinnigen Roman über einen verrückt gewordenen Pfau geschrieben, der alles attackiert, was die Farbe blau trägt. Durch sein auffälliges Verhalten wird sichtbar, was lange Zeit zuvor unter den Teppich gekehrt wurde, um an der Peripherie weiter zu keimen. Dem Ideal der alten Zeit entsprechend erfahren die Verworrenheiten auf die feine englische Art Aufklärung.