Die Traumwelten des Don Juan
Giorgio Madia erhielt seine Ausbildung zum Tänzer an der Ballettschule der Mailänder Scala. Nach einer beeindruckenden Tänzerkarriere begann er mit eigenen verführerischen Choreografien das Publikum zu entzücken. Inspiriert durch frühe Quellen zeichnet er mit feinsinnigem Humor Situationen und Stimmungen aus der Welt des Don Juan. Der Tänzer Leonard Jakovina (Don Juan) flieht nach einer erfüllten Liebesnacht mit der adligen Donna Anna aus dem Fenster ihres Boudoirs. Ihr Verlobter, dessen Umhang er sich in trügerischer Absicht über warf, erscheint unerwartet. Die fantasievollen Kostüme von Bruno Schwengl unterstreichen die barocke Wirkungsästhetik der brillant tanzenden Darsteller.
In Dantes Inferno quält der Höllenteufel Alichino - wahrscheinlich eine Spezifizierung der Zanni-Figur der früheren Comedia dell `Arte - die Seelen der Verdammten -, mit der spitzen Heugabel. Durch seinen Diener Zanni erhält Don Juan tatkräftige Unterstützung für sein visionäres Spiel mit der Liebe. Seine Einflüsterungen enthalten Dimensionen des Grotesken. Im Unterschied zum legendären italienischen Verführer Casanova, der die Liebe niemals verriet und mit romantischem Ansinnen nach einer Übereinkunft in ihr suchte, zeigt sich der literarische Don Juan als pragmatischer Egoist, der seine Lust befriedigen will. Getrieben von seiner Libido konstruiert er ein Spinnennetz - eine verführerische Choreographie - in dem sich seine Geliebte verfängt. Um die makabre Strategie mit Erfolg zu krönen, bedarf es des Teufels als Weggefährten. Der Gehörnte, der Tänzer Michael Banzhaf, hat sein ergänzendes Gegenbild in der schönen Geigenvirtuosin Lidia Baich.
Don Juans erhabene Gespielinnen schienen in der Regel nicht abgeneigt zu sein, den geplanten Verführungen zu erliegen. Sein Ruf war ihm zeitnah vorausgeeilt. In der Literatur wird Don Juan aus Sevilla auch als ein Ideale Suchender, der nach Erfüllung strebte, charakterisiert. Es gab viele offene Pforten in seiner Welt zur Erfüllung der Sehnsüchte. Doch sein raffinierter Intellekt schien ihm den Zugang zu seinen tieferen Emotionen zu versperren. Jede Verheißung des Augenblicks offenbarte Interessanteres als die Liebesbeziehung, die er gerade im Begriff war zu beenden; bis sich am Ende seines Lebenswegs keine dieser Pforten mehr öffnen ließ und Don Juan sich nach einer Reise durch die Hölle selbst im Spiegel erkannte.
Wer der Mann hinter der Maske war, bleibt den Phantasien der Autoren überlassen. In dem Film über den größten Liebhaber der Welt, von dem Autor und Regisseur Jeremy Leven, liebte und verehrte Don Juan seine Mutter. Einzig Donna Anna konnte seinem Ideal entsprechen. Donna Anna hatte ihn jedoch trotz der Liebe, die sie für ihn empfindet, verlassen, weil sie mit seinem Lebenswandel nicht einverstanden war. Don Juan (Johnny Depp) konstruiert sich eine eigene Welt, die auf Unverständnis trifft, und wird erst einmal weggesperrt. In der fiktiven Realität des Kinospielfilms infiziert er seinen Psychiatriearzt (Marlon Brando) mit dem Liebesvirus, den dieser auf seine Gemahlin (Faye Dunaway) überträgt und Don Juan findet doch noch seine Erfüllung - auf der Insel Eros.