Fertighäuser - die unterschätzten Alleskönner
Glaubt man den Aussagen der Hersteller und des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau e. V., liegen die guten Argumente eindeutig auf Seiten des Hausbaus aus Holz und Gipskarton: Kurze Bauzeiten, die Erbringung fast aller Bauleistungen aus einer Hand, Kalkulationssicherheit und natürlich Ökologie sollten eigentlich eine eindeutige Sprache sprechen. Doch warum werden noch immer ca. 85 % aller Häuser bei Wind und Wetter mühselig Stein auf Stein errichtet? Wer sich in den großen Hausausstellungen umhört, erfährt schnell, welche Vorurteile die Häuslebauer vom Fertighausbau abhalten. Doch was ist Dichtung und was ist Wahrheit?
Lange Geschichte
Kein Geringerer als Leonardo da Vinci entwarf schon im 15. Jahrhundert ein Haus, welches aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt wurde. Auch das Weimarer "Bauhaus" um Walter Gropius beschäftigte sich mit einem Heim, welches aus einem Baukastensystem bestand. Für die breite Masse wahrnehmbar wurde der Fertighausbau in den 1960er Jahren. Und genau aus dieser Zeit stammt vermutlich der weit verbreitete schlechte Ruf dieses Konzeptes. Denn anders als heute wurden zu jener Zeit Fertighäuser als billige Alternative zum Massivhaus gesehen, geplant und konstruiert. Schlechte Schall- und Wärmedämmung und großflächige Schimmelbildung in den Wänden waren die Konsequenzen, ebenso Formaldehybelastungen durch die verwendeten Spanplatten.
Trendwende in den 1980er Jahren
Schnell lernte die Fertighausindustrie aus den gemachten Fehlern. Und man erkannte, dass bei einem intelligenten, mehrschichtigen Wandaufbau deutlich bessere Dämmwerte erreicht werden können als beim Massivhaus. Bei gleichen Außenmaßen und Dämmwerten verfügt daher ein Fertighaus heute über 6 bis 12 Quadratmeter mehr Wohnfläche als eine Stein auf Stein gemauerte Immobilie. Spanplatten wurden durch unbedenkliche OSB-Platten ersetzt und das Eindringen von Feuchtigkeit durch Dampfsperren unterbunden. Dies führt im Endeffekt dazu, dass Fertighäuser heute über eine genauso lange Haltbarkeit verfügen wie Massivhäuser. Ebenfalls deutlich verbessert wurde die Schalldämmung, die sich heutzutage nicht hinter der von Massivhäusern zu verstecken braucht.
Wer heute ein Fertighaus baut, kann mit dem Anbieter ganz individuell planen. Das war nicht immer so. In den 1960er Jahren wurden genormte Häuser mit wenigen Grundrissvarianten sogar in Versandhauskatalogen angeboten. Dieser Paradigmenwechsel führt zu einer nie dagewesenen Vielfalt an Entwürfen von der Toskanavilla, über den Bungalow bis hin zum Cubus im Bauhaus-Stil. Letztendlich jedoch baut die überwiegende Zahl der Bauherren ein eingeschossiges Haus mit ausgebautem Dachgeschoss - wie schon seit Jahrzehnten. Die etablierten Hersteller können dank ausgeklügelter Produktionstechnik heute fast jeden Bauherrenwunsch erfüllen. Dass dies seinen Preis hat, dürfte auf der Hand liegen: Mitnichten sind Fertighäuser heute noch billiger als Massivhäuser. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Der Bauherr weiß, was er für sein Geld bekommt
Und genau dies ist die Stärke der Anbieter: In riesigen Bemusterungszentren konfiguriert der Kunde von der Fassade über die Fenster bis hin zur Badausstattung sein eigenes Heim. Die Platzierung von Lichtschaltern und Steckdosen wird noch vor Baubeginn festgelegt. Erst danach beginnt der Produktionsprozess. In trockenen und warmen Hallen werden die ca. 30 cm starken Außen- und ca. 12 cm starken Innenwände vorproduziert, die Fenster eingebaut und die Sanitärinstallation vorbereitet. Auf großen Tiefladern erfolgt danach der Transport zur Baustelle, wo das Fertighaus seine noch aus den Kinderschuhen der Industrie bestehende Stärke ausspielt: In maximal 3 Tagen steht der geschlossene Rohbau. Der Einzug erfolgt nach 6 bis 8 Wochen.
...und hat Sicherheit
Systembedingt ist die Zahl der möglichen Quellen für Baumängel deutlich geringer als beim Massivhaus. Und da ein Festpreis sowie die Höhe und Fälligkeit der Zahlungsraten bereits bei Vertragsabschluss vereinbart werden, haben Bauherren und Banken Planungs- und Kalkulationssicherheit. Die kurze Bauzeit reduziert die Zinsaufwendungen in dieser Phase deutlich. Darüber hinaus sind die Hausanbieter in der Regel solvente mittelständische Unternehmen. Dies gibt dem Bauherren Gewissheit, dass der Anbieter nicht während der Bauphase in die Pleite rutscht. Letztendlich muss der Kunde wissen, wie viel ihm diese Sicherheit wert ist, denn der Kaufpreis für ein Fertighaus liegt üblicherweise über dem eines Massivhauses. Wohnwert, Qualität und Energieeffizienz sprechen jedoch für sich.