Erbach und Michelstadt - idyllische historische Städte im Odenwald
Und wie sieht das heute aus? Michelstadt ist die größere der beiden idyllischen Odenwaldstädtchen. Die Stadt mit ihren 7 Stadtteilen hat fast 16.500 Einwohner, Erbach mit 11 Stadtteilen fast 15.000 Einwohner. Diese Zahlen vermitteln ohne Wertung eine erste Einschätzung. Idyllisch heißt, dass selbst zur Mittagszeit vergleichsweise wenig Publikumsverkehr in den Städten und insbesondere in den historischen Stadtkernen stattfindet. Wohltuend für einen Besucher und Gast. Idyllisch heißt, eine Region für ausgedehnte Wanderungen auf riesigen Wald- und Wiesenflächen zwischen den nächstgrößeren Städten Heidelberg und Darmstadt. Und beide Städte sind Zeitzeugen der Geschichte. In den historischen Stadtkernen ist Geschichte greif- und erlebbar.
Es soll das schönste, bedeutendste und bekannteste Wahrzeichen Südhessens sein. Immerhin zierte das Konterfei einst ein Postwertzeichen der Deutschen Bundespost. Die Rede ist vom Michelstädter Fachwerk-Rathaus. Auf den mächtigen Holzpfeilern der Erdgeschosshalle ruht der Oberbau. Soldatenlager, Lazarett und Schule war es früher. In der offenen Rathaushalle tagte einst das Zentgericht. Im Obergeschoss tagte der Rat der Stadt. Ehen wurden geschlossen und Empfänge gegeben. Und besonders das Gesamtpaket ist so interessant. Der wuchtige Bau der Stadtkirche im Hintergrund des Rathaus passt so gar nicht und er passt eben doch. Es sind die Gegensätze, die letztendlich ein stimmiges Bild abliefern. Der Marktplatz mit Rathaus, Stadtkirche und dem Ensemble der Fachwerkhäuser ist ein Gesamtkunstwerk.
Im Zentrum Michelstadts befindet sich die Kellerei. Ein ehemaliger fränkischer Meierhof, der 741 erstmals urkundlich erwähnt wird. Dort soll die Keimzelle der Stadt sein. Im Zentrum Michelstadts reihen sich Fachwerkhäuser aneinander. Ein Bummel durch die romantischen Gässchen gleicht einer Reise in längst vergangene Zeiten. Und etwas außerhalb befindet sich die Burg Michelstadt mit dem Bergfried. Ein Bergfried ist meist ein unbewohnter Hauptturm einer mittelalterlichen Burg. Oftmals auch ein Wehrturm zu Zeiten, als im Kampf noch ausschließlich Handwaffen benutzt wurden. Gelegentlich werden Bergfriede auch als Diebesgefängnisse genutzt. So soll es in Michelstadt gewesen sein. Ulrich Seidenberg restaurierte 1976 eine Stallung im Zentrum der Stadt und modellierte diverse Elefantenapplikationen. Entstanden ist das Elefantenhaus. Sehenswert.
Ein reich begütertes Herrengeschlecht erbaute um 1200 im heutigen Erbach im Tal der Mümling eine Wasserburg. Der noch heute gut erhaltene Bergfried stammt aus der Stauferzeit. Den gotischen Helm erhielt der Turm Ende des 15. Jahrhunderts. Die Burgmannen siedelten sich in unmittelbarer Nähe des Schlossbereichs an. Die Ansiedlung war von einer heute noch teilweise erhaltenen Stadtmauer umgeben. Das Schloss zusammen mit der Altstadt, dem "Städtel", gilt als Keimzelle Erbachs, der Residenzstadt der Grafen zu Erbach-Erbach. Die romanische Kleinburg wurde im frühen 16. Jahrhundert zu einem Renaissance-Schloss erweitert. In den Wirren des 30-jährigen Kriegs wurde es stark beschädigt. Das heutige Schloss entstand Mitte des 18. Jahrhunderts. Graf Georg Wilhelm zu Erbach- Erbach ließ es auf den Grundmauern der alten Tiefburg bauen. Fast zeitgleich entstand die evangelische Stadtkirche.
Ja, die Uhren scheinen stehen geblieben zu sein. Die Gräflichen Sammlungen Schloss Erbach führen zurück in eine längst vergangene Zeit. Den Grundstein legte Graf Franz I zu Erbach-Erbach. Die natur- und jagdkundliche Sammlung und die Antiken- und Mittelaltersammlung tragen seine Handschrift. Sein Enkel Eberhard XV. sorgte für den Erhalt und die Pflege der wertvollen Sammlungen und ergänzte sie mit antiken Möbeln und Kunstwerken. Nach Übergang des Schlosses an das Land Hessen können neben den römischen Zimmern, dem chinesischen und dem grünen Salon auch die bisherigen Privat- und Repräsentationsräume der Grafen von Erbach-Erbach besichtigt werden. Die obere Etage des Schlosses ist noch heute bewohnt. Der Zugang zu den Wohnräume erfolgt über den Bergfried.
Was fehlt noch? Erbach ist die deutsche Elfenbeinstadt und zählt zu den bedeutendsten europäischen Zentren der Elfenbeinschnitzerei. Graf Franz I. war es, der im ausgehenden 18. Jahrhundert die Bearbeitung des Elfenbeins durch die Bein- und Horndreher in seiner Grafschaft eingeführt hat. 1911 waren die Anfänge des Elfenbeinmuseum. Eine Vitrine mit Ausstellungsstücken. Ab 1937 diente das Gräfliche Schloss als Ausstellungsort. Der entscheidende Impuls für ein "richtiges" Museum erfolgte 1962 im Rahmen des Hessentages in Michelstadt. 400 Exponate wurden ausgestellt. Über eine Zwischensation 1966 und ständigen Erweiterungen der Ausstellungsstücke fand die Ausstellung 1976 ihre jetzige Heimat im Deutschen Elfenbeinmuseum. In der Dauerausstellung reichen die Themen der Kunstwerke von der antiken Götterwelt über die Religionen Asien bis hin zu Jagddarstellungen. Nach dem Welthandelsverbot für Elefantenstoßzähne arbeiten die Schnitzer mit Mammut- Elfenbein und alternativen Werkstoffen wie Bein und Steinnuss.